Schadstoffe und Wohngifte

Unser eigenen vier Wände sind unser Rückzugsort. Hier schalten wir vom Alltag ab und wollen uns erholen. Doch oft ist die Luft in Innenräumen stärker belastet als an einer vielbefahrenen Straßenkreuzung. Die Umgebung ist „vergiftig“, sei es durch ausgasende Möbel oder Baustoffe. Eine Weile ist unser Körper in der Lage diese Belastung auszugleichen aber irgendwann kann es zu unerwünschten Symptomen, wie Kopfschmerzen oder Unwohlsein, kommen.

Das Schadstoff-Lexikon: Die wichtigsten Wohngifte im Detail

Schadstoffe bringen die unterschiedlichsten Eigenschaften mit sich. Manche entweichen rasch in die Raumluft, andere bleiben über Jahrzehnte im Material gebunden. Einige Stoffe gelten als besonders kritisch für die Gesundheit, andere sind weniger problematisch. Für einige dieser Substanzen existieren Richt- oder Vorsorgewerte – zum Beispiel vom Umweltbundesamt oder vom AGÖF (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute).
Für ein besseres Verständnis werden sie in zwei Gruppen unterteilt:

„Volatile Organic Compounds“ Diese Stoffe verdampfen bereits bei Raumtemperatur und gelangen so in unsere Raumluft. Sie treten oft in Verbindung nach Renovierungen oder Kauf von neuen Produkten und Möbeln auf. Ein gutes Lüftungsverhalten lässt die Konzentration reduzieren. Zu dieser Gruppe zählen z.B.:

Formaldehyd ist ein farbloses, stechend riechendes Gas. Es ist eines der bekanntesten Wohngifte. Es wird als „kann Krebs erzeugen“ eingestuft und reizt schon in geringen Mengen Augen und Atemwege.

Vorkommen:

  • Holzwerkstoffe wie Spanplatten, OSB- oder MDF-Platten
  • Möbel (insbesondere preisgünstige, furnierte oder beschichtete)
  • Kleber, Lacke und Farben
  • Textilien mit knitterfreien oder antibakteriellen Ausrüstungen
  • Dämmstoffe und Bauplatten mit Harnstoff-Formaldehyd-Harzen

Benzol ist ein farbloser, süßlich riechender aromatischer Kohlenwasserstoff. Schon geringe Mengen gelten als kritisch.

Vorkommen:

  • Heizölofen, offene Kamine
  • Lösemittelhaltige Farben, Lacke und Kleber
  • Abgase (z. B. aus angeschlossener Garage)
  • Zigarettenrauch
  • Dachpappen, Bitumenbahnen, Grundierungen von Dachaufbauten

Toluol ist chemisch eng mit Benzol verwandt, aber weniger giftig. Es wirkt nervenschädigend und reizt Schleimhäute. Es gehört zu den häufigeren Innenraum-VOCs, besonders bei Renovierungen.

Vorkommen:

  • Lösungsmittel in Haushaltschemikalien
  • Lacke, Farben und Sprays
  • Kleber (z. B. Teppich- oder Bastelkleber)
  • Nagellacke, Kosmetikprodukte

Styrol ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, der bei der Herstellung von Polystyrol (z. B. Styropor) verwendet wird. Es wirkt reizend auf Augen und Atemwege.

Vorkommen:

  • Dämmplatten aus Polystyrol (EPS, XPS)
  • Kunststoffe, Verpackungsmaterialien
  • Teppichunterlagen
  • Zigarettenrauch

Limonen ist ein natürlich vorkommendes Terpen, das in Zitrusölen enthalten ist. Es wirkt frisch duftend, kann aber auch reizende Wirkung haben.

Vorkommen:

  • Kosmetika mit Zitrusanteil Mengen Augen und Atemwege
  • Reinigungsmittel mit Zitronenduft
  • Raumdüfte, Duftkerzen, Aromaöle
  • Möbelpolituren und Pflegemittel

Pinen ist ein weiteres häufiges Terpen mit kiefernartigem Geruch. Es ist Bestandteil vieler ätherischer Öle und wird auch technischen Produkten zugesetzt.

Vorkommen:

  • Raumdüfte, Duftlampen
  • Holzpflegeprodukte
  • Reinigungsmittel auf natürlicher Basis
  • Lufterfrischer

Butanol ist ein Alkohol, der in lösemittelhaltigen Farben und Klebern vorkommt. Er hat einen stechenden Geruch und wirkt in hohen Konzentrationen reizend und narkotisierend.

Vorkommen:

  • Lacke, Lasuren, Farben
  • Klebstoffe und Verdünner
  • Industrielle Reinigungsmittel

Acetaldehyd hat einen stechendem Geruch. Es entsteht unter anderem bei der Verbrennung organischer Materialien – zum Beispiel beim Rauchen – sowie beim natürlichen Abbau anderer VOC. In Innenräumen kann es in Verbindung mit bestimmten Reinigungsmitteln oder Duftstoffen auftreten und dabei reizend auf Schleimhäute wirken.

Vorkommen:

  • Zigarettenrauch (auch E-Zigaretten)
  • Duftsprays, Lufterfrischer, Raumdüfte
  • Reinigungs- und Desinfektionsmittel mit Alkoholbasis
  • Abbauprodukte aus natürlichen Duftstoffen (z. B. Terpene)

„Semi Volatile Organic Compounds“ Diese Substanzen verdampfen kaum und reichern sich dafür allerdings im Hausstaub an und wirken dadurch langfristig. Sie stammen meist aus alten Baumaterialien oder langlebigen Produkten. Typische Vertreter sind:

Holzschutzmittel wurden früher sehr breitflächig eingesetzt, um Holzbauteile vor Insekten, Pilzen oder Feuchtigkeit zu schützen. Viele enthalten heute noch problematische Wirkstoffe, die schwer abbaubar und gesundheitsgefährdend sein können. Besonders betroffen sind Altbauten.

Vorkommen:

  • Gartenhölzer, Zäune, Schuppen
  • Dachstühle, Fachwerk, Deckenbalken im Altbau
  • Alte Holzverkleidungen oder Möbel
  • Fensterrahmen, Außentüren

PCP und Lindan sind zwei der bekanntesten Altlasten unter den Holzschutzmitteln. Sie sind hochgiftig, hormonaktiv und potenziell krebserregend. Beide sind in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre verboten – können aber in älteren Gebäuden weiterhin nachweisbar sein.

Vorkommen:

  • Dachstühle (v. a. zwischen 1960–1985)
  • Fachwerkhäuser und Balken
  • Holzverkleidungen oder Parkettunterkonstruktionen
  • Mit Holzschutz behandelte Möbel aus Altbeständen

PCB wurden als Weichmacher und Isolierstoffe verwendet und gelten als krebserregend. Sie sind sehr langlebig und schwer abbaubar. Die Anwendung wurde 1989 in Deutschland verboten, dennoch sind PCB in vielen Gebäuden aus den 1960er bis 80er Jahren noch ein Thema.

Vorkommen:

  • Hausstaub in Gebäuden mit PCB-haltigen Materialiensstaub.
  • Fugendichtmassen in Betonbauten
  • Farben und Kunststoffe in Altbauten
  • Alte Leuchtstoffröhren, Kondensatoren

Pestizide im Innenraum stammen meist aus Holzschutzmitteln oder Schädlingsbekämpfungen. Besonders problematisch sind organische Insektizide wie Permethrin oder Pyrethroide, die neurotoxisch wirken und in schlecht belüfteten Räumen über Jahre bestehen bleiben können.

Vorkommen:

  • Rückstände nach Schädlingsbekämpfungen
  • Holzschutzmittel (v. a. Altbauten)
  • Mottenschutzmittel, Insektensprays
  • Imprägnierte Teppiche oder Textilien

Phthalate sind Weichmacher in Kunststoffen, die hormonähnlich wirken können. Sie reichern sich oft im Hausstaub an. Einige Substanzen sind mittlerweile EU-weit eingeschränkt, in älteren Materialien aber noch vorhanden.

Vorkommen:

  • Weichkunststoffteile in Elektrogerätenzu begünstigen.
  • PVC-Böden und Tapeten
  • Kabel, Schläuche, Isolierungen
  • Kunstleder, Spielzeug, Verpackungen

PAK entstehen bei unvollständiger Verbrennung und wurden früher in teerhaltigen Klebern und Abdichtungen verwendet. Einige Vertreter wie Benzo(a)pyren gelten als potenziell krebserregend. Heute sind sie verboten, in Altbauten aber weiterhin auffindbar.

Vorkommen:

  • Ofenasche oder Ruß aus offenen Kaminenrfolgt über die Atmung und Hautkontakt.
  • Teerhaltige Kleber unter Parkett oder Teppich
  • Dachpappen, Bitumenbahnen
  • Estrichunterlagen aus der Nachkriegszeit

Flammschutzmittel sollen die Entflammbarkeit reduzieren. Viele ältere Varianten z. B. bromierte Flammschutzmittel gelten als hormonell wirksam, fettlöslich und langlebig. Neuere Produkte sind strenger reguliert, dennoch lohnt sich ein genauer Blick.

Vorkommen:

  • Polstermöbel, Matratzen, Teppiche
  • Dämmstoffe (Polystyrol, Polyurethan)
  • Elektronische Geräte und Kabel
  • Kunststoffgehäuse von Monitoren, Fernsehern, Steckdosenleisten

Schwermetalle wie Blei, Quecksilber oder Cadmium sind dauerhaft toxisch. Sie lagern sich im Körper ab, sind vor allem für Kinder gefährlich und treten oft in Altbauten oder bei veralteten Materialien auf.

Vorkommen:

  • Cadmium in alten Glasuren, Kunststofffarben oder Batterien
  • Bleirohre in alten Trinkwasserleitungen
  • Bleihaltige Farben oder Lacke
  • Quecksilber in alten Thermometern oder Leuchtmitteln

Welche Symptome können auftreten?

Das Tückische an Wohngiften ist, dass die Symptome oft unspezifisch sind („diffus“) und sich schleichend entwickeln. Ärzte finden organisch oft keine Ursache. Ein typisches Indiz: Die Beschwerden bessern sich, wenn Sie das Haus für einen längeren Zeitraum verlassen (z.B. im Urlaub).

Häufige Anzeichen sind:

  • Kopfschmerzen, Migräne, „Nebel im Kopf“, Schwindelgefühle
  • Atemwegsbeschwerden wie Reizhusten, Schnupfen, Asthma
  • Schlafstörungen und chronische Erschöpfung
  • Hautirritationen, Juckreiz, Ausschläge
  • Neurologische Störungen (Kribbeln, Schwindel)
  • Entwicklung einer MCS (Multiple Chemikalien-Sensitivität)
  • Schleimhautreizungen (Augen, Nase, Rachen)
  • Müdigkeit, Erschöpfung
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • allergische Reaktionen
  • Verstärkte Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen

Diese Symptome sind nicht spezifisch für einzelne Schadstoffe und sie bedeuten nicht automatisch, dass ein Schadstoff-Problem vorliegt. Wenn solche Beschwerden regelmäßig auftreten und sich insbesondere in Innenräumen verstärken, lohnt sich ein bewussterer Blick auf die Umgebung.

Besonders empfindlich reagieren:

  • Kinder
  • Schwangere
  • Ältere Menschen
  • Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Allergien