PFAS: Die „Ewigkeitschemikalien“ ist auch in unserem Haushalt
Wenn wir unser Zuhause einrichten oder den Wocheneinkauf erledigen, achten wir meist auf Preis, Qualität und vielleicht noch auf das Bio-Siegel. Doch in den letzten Jahren rückt eine Stoffgruppe immer stärker in den Fokus von Wissenschaft und Verbraucherschutz, die schon lange Zeit unseren Alltag begleitete: PFAS. Sie machen Pfannen antihaftend, Kleidung wasserabweisend und Lebensmittelverpackungen fettresistent. Doch diese Vorteile haben ihre Schattenseiten: PFAS bauen sich in der Umwelt und in unserem Körper nicht ab und stehen im Verdacht, gesundheitliche Probleme wie Hormonstörungen oder Krebs zu verursachen.
Was sind PFAS eigentlich?
PFAS ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Es handelt sich dabei nicht um einen einzelnen Stoff, sondern um eine riesige Gruppe von mittlerweile über 4.700 verschiedenen synthetischen chemischen Verbindungen. In der Natur kommen diese Stoffe nicht vor; sie sind ein reines Produkt der Industrie, entwickelt in den 1940er Jahren.
Das besonders kritische an PFAS ist die extrem starke Bindung zwischen Kohlenstoff- und Fluoratomen. Diese Bindung gilt als eine der stabilsten in der organischen Chemie. Genau das macht PFAS für die Industrie so attraktiv:
- Sie sind extrem hitzebeständig.
- Sie sind chemisch stabil.
- Sie besitzen die einzigartige Fähigkeit, sowohl Wasser als auch Fett und Schmutz abzuweisen.
Warum nennt man sie „Forever Chemicals“?
Was für die Antihaftbeschichtung der Pfanne oder die Outdoor-Jacke ein Segen ist, wird für die Umwelt und unsere Gesundheit zum Problem. Aufgrund ihrer enormen Stabilität bauen sich PFAS in der Natur nicht (oder nur über extrem lange Zeiträume) ab. Sie verbleiben dort über Jahrhunderte – daher der Beiname „Forever Chemicals“ (Ewigkeitschemikalien).
Einmal in die Umwelt freigesetzt – sei es durch die Produktion, die Nutzung zu Hause oder die Entsorgung – reichern sie sich an. Sie gelangen in Böden, ins Grundwasser, in Tiere und schließlich auch in den menschlichen Körper. Studien zeigen mittlerweile, dass fast jeder Mensch messbare Konzentrationen von PFAS im Blut hat.
Gesundheitliche Risiken: Warum wir handeln sollten
Während die Industrie lange die Unbedenklichkeit beteuerte, zeigen wissenschaftliche Daten zunehmend besorgniserregende Zusammenhänge. PFAS Chemikalien wirken oft nicht sofort giftig, sondern schleichend. Das Hauptproblem ist die Bioakkumulation: Die Stoffe reichern sich im menschlichen Gewebe an und werden nur sehr langsam wieder ausgeschieden. Die Halbwertszeit im menschlichen Körper kann mehrere Jahre betragen.
Zu den diskutierten und teils belegten gesundheitlichen Folgen gehören:
- Hormonelle Störungen: PFAS können in das Hormonsystem eingreifen und so beispielsweise die Schilddrüsenfunktion oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
- Immunsystem: Es gibt Hinweise darauf, dass hohe PFAS-Belastungen die Immunantwort schwächen können, was unter anderem die Wirkung von Impfungen bei Kindern verringern kann.
- Krebsrisiko: Einige PFAS-Verbindungen (wie das früher häufig genutzte PFOA) wurden von internationalen Gesundheitsorganisationen als krebserregend oder potenziell krebserregend eingestuft (z.B. Nieren- und Hodenkrebs).
- Entwicklung von Kindern: Ein geringeres Geburtsgewicht und Entwicklungsverzögerungen wurden beobachtet. Da Kinder im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht mehr Nahrung und Wasser aufnehmen und sich ihre Organismen noch in der Entwicklung befinden, sind sie besonders gefährdet.
Wo verstecken sich PFAS im Haushalt?
Um die Belastung im Alltag zu reduzieren, ist es wichtig zu wissen, wo sich diese Stoffe verstecken. PFAS finden wir leider fast überall dort, wo Produkteigenschaften wie „fleckgeschützt“, „wasserfest“, „antihaftbeschichtet“ oder „langlebig“ beworben werden. Hier ist eine detaillierte Analyse der häufigsten Quellen in unseren vier Wänden.
Die Küche: Der tägliche Kontakt
Die Küche ist oft der Ort mit der höchsten Exposition im Haushalt, da hier Hitze und direkter Lebensmittelkontakt zusammenkommen. Das wohl bekannteste Beispiel ist antihaftbeschichtetes Kochgeschirr wie die klassische Teflon-Pfanne (PTFE). Solange die Beschichtung vollkommen intakt ist, gilt das Risiko als gering. Kritisch wird es jedoch bei Überhitzung – etwa durch eine leere Pfanne auf dem Herd –, da hierbei toxische Dämpfe entstehen können. Zudem lösen sich bei Kratzern in der Beschichtung Mikroplastik-Partikel, die PFAS enthalten und so direkt in unser Essen gelangen.
Doch die Gefahr lauert nicht nur im Geschirr, sondern auch in Lebensmittelverpackungen. Damit Fast-Food-Kartons, Burgerpapier oder Pommes-Tüten nicht durchfetten, werden sie häufig mit PFAS behandelt. Selbst das unscheinbare Backpapier ist oft beschichtet, um das Ankleben von Teig und Speisen zu verhindern.
Textilien und Wohnraum
Im Wohnbereich finden wir PFAS oft dort, wo uns das Leben durch „pflegeleichte“ Materialien erleichtert werden soll. Teppiche und Polstermöbel sind hierfür klassische Beispiele: Wenn ein Sofa oder Teppich damit beworben wird, dass Flecken wie Rotwein einfach abperlen, ist meist eine PFAS-basierte Fleckschutzbehandlung im Spiel.
Auch unsere Garderobe ist betroffen, insbesondere bei Outdoor-Kleidung. Die Regenjacke, die gleichzeitig atmungsaktiv und wasserdicht ist (viele Membranen), enthält oft standardmäßig PFAS. Diese Chemikalien waschen sich mit der Zeit aus und gelangen ins Abwasser – oder sie reiben sich im trockenen Zustand ab und sammeln sich als Belastung im Hausstaub. Ähnliches gilt für Heimtextilien wie schmutzabweisende Vorhänge oder Tischdecken, die ebenfalls oft chemisch ausgerüstet sind.
Badezimmer und Kosmetik
Auch im Badezimmer sind wir vor den Ewigkeitschemikalien nicht sicher. In der Kosmetik werden PFAS eingesetzt, um Produkte leistungsfähiger zu machen: Sie sorgen beispielsweise dafür, dass Wimperntusche wasserfest ist, Lippenstifte länger halten oder Foundations eine geschmeidigere Textur erhalten.
Ein oft unterschätztes Produkt ist die Zahnseide. Besonders Varianten, die als „Glide“ oder Bänder bezeichnet werden und sehr leicht durch die Zahnzwischenräume gleiten, bestehen häufig aus PTFE. Das ist exakt dasselbe Material, das auch für die Antihaftbeschichtung in Pfannen verwendet wird.
Wie gelangen PFAS in unseren Körper?
Es gibt drei Hauptwege, über die diese Substanzen in unseren Organismus gelangen:
- Über die Nahrung: Dies gilt als der Hauptaufnahmeweg. PFAS migrieren aus Verpackungen in das Essen (besonders bei heißem, fettigem Essen). Zudem sind viele Lebensmittel (Fisch, Fleisch, Milchprodukte) bereits grundbelastet, da die Tiere PFAS über Umwelt und Futter aufgenommen haben.
- Über das Trinkwasser: In vielen Regionen ist das Grundwasser durch Löschschaum (Flughäfen, Feuerwehrübungsplätze) oder Industrieabwässer belastet. Herkömmliche Kläranlagen können diese Moleküle oft nicht vollständig filtern.
- Über Hausstaub und Luft: Dies ist ein oft unterschätzter Faktor. PFAS dampfen aus Teppichen und Möbeln aus oder reiben sich als Partikel ab und binden sich an den Hausstaub. Kleinkinder, die auf dem Boden krabbeln und die Hand in den Mund stecken, nehmen so eine signifikante Menge auf. Auch das Einatmen von Imprägniersprays (Aerosole) ist eine direkte Quelle.
Praktische Tipps: So wird Ihr Haushalt PFAS-freier
Die gute Nachricht ist: Als Verbraucher sind wir nicht machtlos. Mit bewusstem Konsum und kleinen Änderungen im Verhalten lässt sich die Belastung drastisch senken.
Küchen-Detox
Trennen Sie sich langfristig von altem, zerkratztem, beschichtetem Kochgeschirr.
- Alternativen: Nutzen Sie Pfannen aus Gusseisen, Edelstahl, Carbonstahl oder Emaille. Diese sind langlebiger und geben keine Schadstoffe ab. Gusseisen entwickelt mit der Zeit eine natürliche Antihaft-Patina. Keramikpfannen sind eine weitere Option, wobei auch hier auf die Inhaltsstoffe geachtet werden sollte.
- Backen: Nutzen Sie unbeschichtetes Backpapier (gibt es im Bioladen) oder fetten Sie Bleche klassisch ein.
- Verpackungen meiden: Reduzieren Sie Fast Food in Einwegverpackungen. Popcorn aus der Mikrowellentüte ist eine der stärksten PFAS-Quellen – machen Sie Popcorn lieber im Topf.
Bewusster Textilkauf
Achten Sie bei Kleidung und Wohntextilien auf Labels wie „PFC-frei“ oder „PFAS-frei“. Viele Outdoor-Marken stellen mittlerweile um. Fragen Sie beim Sofakauf explizit nach: Wurde der Stoff chemisch gegen Flecken imprägniert? Falls ja, lohnt es sich oft, auf diese Ausrüstung zu verzichten.
Wasserfilterung
Informieren Sie sich über die Wasserqualität in Ihrer Region. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, können hochwertige Aktivkohleblockfilter oder Umkehrosmoseanlagen einen Großteil der PFAS Chemikalien aus dem Wasser entfernen.
Hausstaub reduzieren
Da sich PFAS im Staub sammeln:
- Saugen Sie regelmäßig (am besten mit einem HEPA-Filter).
- Wischen Sie glatte Böden häufig feucht, um feinen Staub zu binden.
- Lüften Sie regelmäßig, um Ausdünstungen zu verringern.
Kosmetik-Check
Werfen Sie einen Blick auf die Inhaltsstoffe (INCI). Achten Sie auf Begriffe, die „fluoro“ oder „PTFE“ enthalten (z.B. Perfluorononyl Dimethicone). Nutzen Sie Apps wie ToxFox oder CodeCheck, um Produkte per Barcode zu scannen und versteckte Schadstoffe zu entlarven. Zertifizierte Naturkosmetik ist in der Regel frei von synthetischen Kunststoffen und damit auch von PFAS.
Ein Blick in die Zukunft: Das „Regrettable Substitution“ Problem
Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Die Politik arbeitet an Verboten. Doch oft reagiert die Industrie mit der sogenannten „bedauerlichen Substitution“. Dabei werden langkettige PFAS (wie PFOA), die verboten wurden, durch kurzkettige PFAS ersetzt. Diese gelten oft als „weniger bioakkumulativ“, sind aber mobiler im Wasser, verteilen sich schneller und sind technisch noch schwerer zu filtern.
Deshalb reicht es nicht, nur bestimmte Einzelstoffe zu verbieten. Wir müssen als Gesellschaft und Verbraucher die gesamte Stoffgruppe der fluorierten Chemikalien im Alltag hinterfragen. Brauchen wir wirklich die extremste Chemikalie für eine Regenjacke, die wir nur zum Spaziergang tragen? Muss die Pfanne so beschichtet sein, dass absolut gar nichts haftet, oder reicht ein wenig Öl?
Fazit
Es ist heutzutage fast unmöglich, ihnen zu 100 % zu entgehen, da sie global verteilt sind. Aber: Die Dosis macht das Gift. Jede beschichtete Pfanne, die man ersetzt, jedes Kosmetikprodukt, das man wechselt, und jede Imprägnierung, die man vermeidet, senkt die Gesamtbelastung.




