VOC messen im Innenraum

VOC im Wohnraum: Versteckte Belastung?

Mittlerweile sind wir zu „Indoor Menschen“ geworden und verbringen rund 90 Prozent unserer Lebenszeit in geschlossenen Räumen. Wenn man allein die Zeit in der Arbeit oder Schule und die Zeit im Schlaf zusammenrechnet, dann kommen wir auch eine beachtliche Anzahl an Stunden die wir im Innenraum verbringen. Dabei setzen wir ganz selbstverständlich voraus, dass die Luft sauber und gut ist bzw. machen wir uns gar keine Gedanken darüber.

Doch oft trügt der Schein oder besser gesagt: der Geruch. Jeder kennt diesen typischen „Neuwagengeruch“ oder den intensiven Duft nach einer frischen Renovierung. Viele assoziieren damit Sauberkeit, Frische und Modernität. Aus der gesundheitlichen Perspektive ist das jedoch oft kein besonders gutes Zeichen. Denn genau hier liegt eine Herausforderung: VOC (Volatile Organic Compounds). Diese Stoffe entweichen aus Möbeln, Farben, Reinigungsmitteln oder Baustoffen und beeinflussen unsere Gesundheit ohne dass wir es sofort bemerken.

Was sind VOC?

Hinter der Abkürzung VOC verbergen sich „flüchtige organische Verbindungen“ (Volatile Organic Compounds). Chemisch betrachtet handelt es sich um eine riesige Gruppe von kohlenstoffhaltigen Stoffen, die eine gemeinsame Eigenschaft haben: Sie entweichen (verflüchtigen sich) bereits bei niedrigen Temperaturen. Damit sind auch normale Raumtemperaturen eingeschlossen.

Viele dieser Verbindungen sind künstlich hergestellt und finden sich in unzähligen Industrieprodukten. Aber auch natürliche Stoffe, wie Terpene aus Nadelholz oder Zitronenschalenöl, gehören dazu. Das schwierige der VOC´s ist ihre große Vielfalt und ihre unterschiedliche Geruchsschwelle. Das bedeutet das wir nicht alle über den Geruch wahrnehmen können. Zudem sind nicht alle Verbindungen unbedingt „giftig“. Je nach Art und vorhandenen Konzentration in der Luft, der wir ausgesetzt sind kann es zu Reaktionen in unserem Körper kommen.

Das Problem der modernen Bauweise

Früher zogen durch undichte Fenster und undichtere Bauweisen ständig frische Luft durch das Haus. Heute bauen wir – aus energetischen Gründen – sehr dicht. Moderne, gut gedämmte Gebäude verhindern, dass wertvolle Wärme entweicht. Das bedeutet aber auch: Wenn Schadstoffe im Innenraum freigesetzt werden, können sie nicht mehr einfach nach draußen entweichen und die Konzentration im Innenraum steigt an.

TVOC: Die Summe der Belastung

In der Baubiologie sprechen wir oft vom TVOC-Wert (Total Volatile Organic Compounds). Dieser Wert fasst die Summe aller flüchtigen organischen Verbindungen in der Luft zusammen und dient als wichtiger Indikator für die allgemeine Belastungssituation in einem Raum.

Zu den bekanntesten Vertretern dieser Stoffgruppe, die wir bei Analysen finden, gehören:

  • Lösemittel
  • Formaldehyd und Aldehyde
  • Aliphatische Kohlenwasserstoffe (Alkane)
  • Aromatische Kohlenwasserstoffe (Aromaten)
  • Ester und Glykole
  • Terpene usw.

Symptome: Wenn die Luft krank macht

VOC sind leider keine Seltenheit, die nur in Fabriken oder in besonderen Umgebungen vorkommen. Sie sind alltäglich in Wohnräumen vorhanden. Gerade deshalb werden ihre gesundheitlichen Auswirkungen oft unterschätzt oder falsch zugeordnet. Wer denkt bei Kopfschmerzen schon sofort an den neuen Teppichboden oder an die vor kurzem gestrichene Wandfarbe?

Dabei können schon geringe Konzentrationen für einige Menschen belastend sein. Besonders Kinder, deren Organismus sich noch entwickelt, Ältere oder Menschen mit chronischen Vorerkrankungen reagieren oft empfindlicher. Die Vielfalt der Symptome, die mit einer erhöhten VOC-Belastung in Verbindung gebracht werden ist breit gefächert und von Mensch zu Mensch individuell. Hier sind einige Beispiele:

  • Neurologische Beschwerden: Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen.
  • Reizungen: Brennende Augen, Kratzen im Hals, trockene Nasenschleimhäute oder Hautreizungen.
  • Atemwege: Husten, Atemnot oder die Verschlimmerung von Asthma.
  • Allgemeines Wohlbefinden: Schlafstörungen, Unruhe oder eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Langfristig kann eine hohe VOC-Belastung sogar Organe wie die Leber oder die Nieren belasten und das Nervensystem beeinflussen. Einige Vertreter der VOC-Gruppe gelten zudem als krebserregend oder fortpflanzungsgefährdend.

Typische Quellen

Die Vielfalt an möglichen Quellen ist groß. Oft holen wir uns ganz unbewusst die Schadstoffe selbst ins Haus. Hier ist eine Übersicht der häufigsten „Übeltäter“:

  1. Renovierungsmaterialien: Wandfarben, Lacke, Kleber, Silikone und Bauschäume sind klassische Quellen – besonders kurz nach der Anwendung.
  2. Einrichtung: Neue Möbel (besonders aus Spanplatten), Teppiche, Vinylböden oder Laminat können über Monate hinweg Gase freisetzen.
  3. Lifestyle-Produkte: Duftkerzen, Raumdüfte, Lufterfrischer und ätherische Öle erhöhen die VOC Werte teils massiv erhöhen. Was gut riecht, ist chemisch oft eine Belastung.
  4. Reinigung: Aggressive Reinigungs- und Desinfektionsmittel.
  5. Alltag: Kosmetika, Parfüms und sogar Spielzeuge.

Gerade neu eingerichtete oder frisch renovierte Räume sind besonders auffällig für hohe Konzentrationen. Doch auch in lang genutzten Wohnräumen können sich VOC unbemerkt halten.

Warum und wann VOC-Messungen sinnvoll sind

Das Hauptproblem mit diesen Verbindungen ist unsere eigene Wahrnehmung und Geruchsempfindlichkeit. Viele VOC sind geruchlos oder werden von künstlichen Duftstoffen überdeckt. Unsere Nase gewöhnt sich zudem schnell an Gerüche. Wer den ganzen Tag in einem belasteten Raum verbringt oder nachts darin schläft, nimmt den „schlechten“ Geruch nach einigen Tagen oft gar nicht mehr wahr.

Deshalb sind eine Bewertung und Einordnung des Geruches oft schwierig, selbst für erfahrene Menschen. VOC messen zu lassen, schafft Klarheit und sehr gute Ergebnisse über die Zusammensetzung der Raumluft und die Konzentration der einzelnen Stoffe.

Wie läuft eine professionelle VOC-Messung ab?

Eine qualifizierte baubiologische Untersuchung zur Bestimmung flüchtiger organischer Verbindungen ist ein mehrstufiger Prozess, der sich in vier wesentliche Phasen gliedert: 

  1. Anamnese: Zunächst erfolgt eine genaue Analyse der Raumsituation. Dabei wird geprüft, welche Materialien verbaut wurden, wann Renovierungen stattfanden und welche Symptome bei den Bewohnern auftreten.
  2. Probenahme: Bei einer baubiologischen Raumluftmessung wird die Luft über einen definierten Zeitraum gesammelt. Hierfür kommen spezielle Pumpen und Adsorptionsröhrchen oder Passivsammler zum Einsatz.
  3. Laboranalyse: Die entnommenen Proben werden in einem akkreditierten Fachlabor analysiert. Ziel ist nicht nur die Ermittlung eines pauschalen Summenwertes, sondern die Identifizierung einzelner Substanzen. Je nach festgelegtem Umfang können aus einer Probe bis zu 260 verschiedene Substanzen ausgewertet werden.
  4. Bewertung: Abschließend erfolgt eine Einordnung der Ergebnisse. In einem Bericht wird erläutert, ob Grenzwerte oder baubiologische Richtwerte überschritten wurden. Anhand der gefundenen Stoffe kann man Rückschlüsse auf bestimmte Materialien ziehen und damit die Quelle ausfindig machen. Der Abschluss des Berichtes stellen die individuellen Handlungsempfehlungen dar wie zum Beispiel Sanierungsempfehlungen.

Was Sie sofort tun können: Tipps zur Reduzierung

Auch ohne sofortige VOC-Messung können Sie im Alltag bereits einiges tun, um die Konzentration zu senken und Ihre Raumluftqualität zu verbessern:

  • Richtig Lüften: Das A und O ist der Luftaustausch. Mehrmals täglich für 5–10 Minuten querlüften (Durchzug) ist effektiver als ein dauerhaft gekipptes Fenster. Das transportiert die angereicherten Stoffe nach draußen.
  • Verzicht auf unnötige Chemie: Reduzieren von Raumdüften, Duftkerzen und Weichspülern. Sauberkeit muss nicht unbedingt nach „Meeresbrise“ riechen.
  • Bewusster Einkauf: Bei Farben, Möbeln und Bodenbelägen auf emissionsarme Produkte achten. Am besten ist es, sich die Zusammensetzung (Volldeklaration) genau anzuschauen oder direkt beim Hersteller zu erfragen, da nicht alle Stoffe offiziell angegeben werden müssen.
  • Schrittweise Renovierung: Nicht alles gleichzeitig erneuern oder renovieren. Je mehr neue Materialien gleichzeitig in einen Raum kommen, desto höher summiert sich die Belastung (Add-on-Effekt).
  • Auslüften lassen: Wenn neue Möbel gekauft werden, am besten direkt auspacken und wenn möglich schon im Lager oder in einer Garage einige Tage ausdünsten lassen, bevor sie in die Wohnung kommen. Oder lassen sie den gesamten Raum nach der Möbelierung einige Zeit auslüften.

Fazit: Klarheit statt Ungewissheit

Flüchtige organische Verbindungen sind in unseren Innenräumen allgegenwärtig. Nicht jede Verbindung stellt direkt eine Gesundheitsgefährdung dar, deshalb ist es wichtig immer die Gesamtheit zu betrachten und vor allem ein Auge auf die wirklich problematischen Stoffe zu haben. Symptome sollten dennoch ernst genommen werden, gerade wenn sie diffus sind und sich keine ärztliche Ursache finden lässt. Spätestens dann lohnt sich ein Blick in die Zusammensetzung der Raumluft.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Leider sein, weil die Technik dahinter einfach nicht ausreicht. Eine baubiologische Messung hingegen nutzt spezielle Pumpen und Laboranalysen, um die konkreten Einzelstoffe zu identifizieren und deren Konzentrationen.

Das kann man pauschal leider nicht beantworten. Meist deutet es auf eine hohe Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen hin, die gerade in den ersten Wochen und Monaten stark ausgasen. Wenn dieser Geruch nicht schnell verfliegt oder körperliche Beschwerden auslöst, sollte eine Messung auf jeden Fall in Betracht gezogen werden.

Da VOC unsichtbar sind, werden die Symptome oft nicht sofort mit der Wohnung in Verbindung gebracht. Typische Anzeichen können Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme oder Müdigkeit sein. Auch Reizungen der Augen, der Nase oder des Rachens sind häufige Reaktionen des Körpers auf eine chemisch belastete Raumluft.

Das ist genau das Ziel einer qualifizierten VOC-Messung. Da die Quellen vielfältig sein können und von Möbeln über Teppiche bis hin zu Reinigungsmitteln reichen können, hilft eine detaillierte Auswertung von Einzelstoffen weiter. Durch die Anamnese (Bestandsaufnahme der Materialien und Renovierungszeitpunkte) und die anschließende Laboranalyse der Luftproben lässt sich meist eingrenzen, ob der neue Vinylboden, der Kleber oder doch das Sofa die Hauptursache ist.

Cathleen Engelke

Cathleen Engelke

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